Von vorneherein war klar: Parlamentarisch konnte nichts Gewichtiges entschieden werden, denn die notrechtlichen Beschlüsse des Bundesrats hatten bereits Rechtskraft erlangt. Die anfangs diese Woche angesetzte ausserordentliche Session der eidgenössischen Räte war daher primär ein parteipolitisches Schaulaufen zu der vom Bundesrat notrechtlich verordneten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Umso mehr bot die Debatte ein halbes Jahr vor den eidgenössischen Wahlen den Parteien Gelegenheit zur Profilierung, verbunden mit teilweise emotional vorgetragener Kritik an Schweizer Banken (auch wenn faktisch nur eine von 239 Schweizer Banken im Fokus steht). Entrüstung und Schuldzuweisungen kamen von allen Seiten, auch von jenen Parlamentsmitgliedern, die den bundesrätlichen Kurs mit dem 109-Milliarden-Kredit schliesslich mittrugen.

Nicht nur als Wahlkampfgeplänkel abtun

Wenig überraschend versagten am Ende die Polparteien zur Linken und Rechten dem bundesrätlichen Kurs die Unterstützung. Prompt wurde von Seite der Mitteparteien der Vorwurf erhoben, SP, Grüne und SVP betrieben mit ihrem Nein billiges Wahlkampfgeplänkel, seien verantwortungslos und unterminierten die Stabilität des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Das trifft einerseits zu, andererseits greift es deutlich zu kurz. Ursächlich für die heutige Misere ist schliesslich nicht das Nein der Räte. Vielmehr hat in den Jahren vor der behördlich anberaumten Übernahme ein einzelnes Unternehmen wiederholt unternehmerische Fehlentscheide getroffen, was schliesslich in einem erodierenden Vertrauen von Kundschaft und Märkten kulminierte.

Das weitverbreitete Unbehagen über die erneute Anwendung des Notrechts durch den Bundesrat ist durchaus berechtigt. (Martin Zenker, Unsplash)

Dazu kommt: Das weitverbreitete Unbehagen über die erneute Anwendung des Notrechts durch den Bundesrat ist durchaus berechtigt. Das Übergehen der Volksvertreterinnen und Volksvertreter bei einem der wirtschafts- und finanzpolitisch gravierendsten Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte ist nicht nur gefühlt, sondern eine Tatsache. Zudem geht es einher mit einer Ausserkraftsetzung der liberalen Rahmenordnung, inklusive eines massiven Eingriffs in die verfassungsmässig garantierte Unabhängigkeit der Nationalbank. Neu wird dem Bundesrat ein Weisungsrecht gegenüber der SNB eingeräumt, denn er kann die Höhe der von der Nationalbank maximal auszahlbaren zusätzlichen Liquiditätshilfe-Darlehen bestimmen.

Diese Entwicklungen sind ernst zu nehmen und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Es besteht durchaus parlamentarischer Handlungsbedarf

Erstens: Wenn der Bundesrat die Unabhängigkeit der Nationalbank mit Notrecht beschneidet, muss das Parlament infolge der fehlenden Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene Hüterin der Bundesverfassung sein. Diese Rolle hat die Legislative konsequent wahrzunehmen. Dies gilt insbesondere auch bei der Überführung der Notverordnungen ins ordentliche Recht.

Zweitens: Per Notrecht hat der Bundesrat die geldpolitisch problematischen neuen «zusätzlichen Liquiditätshilfe-Darlehen» (Emergency Liquidity Assistance Plus, ELA+) geschaffen. Die Nationalbank kann damit Milliardenkredite sprechen, ohne dass die Banken für den Bezug der Gelder wie üblich eine Kreditsicherheit hinterlegen müssen. Diesem Instrument gilt es bei der Überführung der Notverordnungen ins ordentliche Recht den demokratischen Ritterschlag zu verwehren und es wieder abzuschaffen. Das wird eine entsprechende Erhöhung des sogenannten «public liquidity backstops» (PLB) bedingen, um die Finanzstabilität weiterhin zu gewährleisten. Dieses Instrument besteht wie ELA+ ebenfalls aus Liquiditätshilfe-Darlehen der SNB, es erhält hier aber als Kreditsicherheit eine Bundesgarantie – damit kann verhindert werden, dass eine Zentralbank die Verluste von privaten Institutionen monetarisiert. Wird dieses verfassungsmässig korrekte Vorgehen gewählt, wird das wahre Risiko für die Steuerzahlenden transparent und verdeutlicht, weshalb die gewählte Lösung eben ganz und gar keine privatwirtschaftliche ist. Sie ist und bleibt ein ordnungspolitischer Sündenfall – auch wenn er sich aufgrund der Macht des Faktischen dem Bundesrat aufgedrängt hat.

Drittens: Das «Too big to fail»- Regelwerk hat sich offenkundig als untauglich erwiesen für den Fall einer rapiden Erosion des Vertrauens. Bei der anstehenden parlamentarischen Diskussion für zusätzliche Regulierungen ist zu beachten, dass einerseits selbst die grösste Regulierungsdichte einen Vertrauensverlust nicht wettmachen kann und andererseits jedwelche Regulierung auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann (z.B. Verteuerung der Hypotheken infolge höheren Eigenkapitalquoten oder Verteuerung der risikoabsorbierenden Kapitalinstrumente infolge notrechtlich durchbrochener Gläubigerhierarchie).

Viertens: Was das Parlament langfristig tun sollte, ist offenkundig: Das Versprechen «Nie wieder die Steuerzahlenden in der Pflicht!» muss endlich eingehalten werden. Der Gesetzgeber sollte seinen bisherigen Regulierungsansatz grundlegend überdenken. Offensichtlich ist der bisherige Ansatz krachend gescheitert. Mehr vom Gleichen ist nicht die Lösung. Es gilt daher auch neue und innovative Ideen wie die einer «systemischen Solvenz» vertieft zu evaluieren. Dieser neue Ansatz setzt auf der Ebene jeder einzelnen Bilanz an. So kann sichergestellt werden, dass in der Finanzarchitektur als Ganzes keine systemischen Risken mehr geschaffen werden. Das ermöglicht, aus der seit Jahrzehnten drehenden Regulierungsspirale auszubrechen und die existierenden (impliziten) Staatsgarantien glaubhaft aufzuheben. Die aus liberaler Sicht fatale Verflechtung zwischen Staat und privaten Finanzinstitutionen würde aufgelöst werden.

Ziel muss sein, ordnungspolitischen Prinzipien wieder Geltung zu verschaffen sowie eine Transformation hin zu einem vollständig marktbasierten Finanzsystem zu ermöglichen – kurz gesagt: Es gilt, die liberale Ordnung im Bankenland Schweiz wiederherzustellen.