In den zehn grössten Schweizer Städten hat die Verwaltung stark zugelegt. Im Jahr 2022, dem letzten verfügbaren Zeitpunkt, zählten sie zusammen 36’254 Mitarbeitende. Das entspricht genau der Bevölkerung der Stadt Chur und bedeutet einen Anstieg um 13,3% gegenüber dem Jahr 2011. Die Bevölkerung hat im gleichen Zeitraum in diesen Orten aber nur um 9,7% zugenommen. Die Verwaltung wächst damit überproportional. Dies ist erklärungsbedürftig.
Grosser Stadt-Land-Graben bei der Zahl der Verwaltungsangestellten
Zunächst stellt sich die Frage: Ist das derzeitige Niveau hoch oder tief? Das kann nur im Verhältnis zur Einwohnerzahl beurteilt werden: 2022 standen pro 1000 Einwohner 23,3 Angestellte (umgerechnet in Vollzeitäquivalente, VZÄ) auf der Lohnliste von Zürich, Genf, Basel, Lausanne, Bern, Winterthur, Luzern, St. Gallen, Lugano und Biel.1In dieser ganzen Untersuchung sind nur die Staatsangestellten im eigentlichen Sinne gezählt. Angestellte von öffentlich-rechtlichen Unternehmen sind nicht berücksichtigt. In den restlichen 2138 Schweizer Gemeinden lag diese Zahl viel tiefer, nämlich bei 9,9 VZÄ je 1000 Einwohner.
Die zehn grössten Städte haben also mehr als doppelt grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz. Das mag zum einen mit Zentrumsleistungen zu tun haben, die diese Städte erbringen – und von denen auch Einwohner aus dem Umland profitieren –, zum anderen spiegelt es die erhöhte Komplexität der Verwaltung dieser grossen Einheiten, und drittens spielen wohl auch politische Vorlieben eine Rolle: Die Städte ticken deutlich linker als das Land, was die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen und damit auch den Personalbedarf erhöht.
Zwischen den Städten sind die blossen Niveaus aber mit Vorsicht zu vergleichen. Das liegt daran, dass die Städte (ausser Zürich und Winterthur) Kantonen angehören, die ganz unterschiedlich organisiert sind. Ein Kanton mit einem hohen Dezentralisierungsgrad überlässt seinen Gemeinden mehr Aufgaben, womit sich auch eine höhere Zahl städtischer Angestellter rechtfertigt. Welcher Anteil einer hohen Quote auf eine aufgeblähte Verwaltung oder schlicht auf hohe Dezentralisierung zurückzuführen ist, lässt sich nicht trennscharf beurteilen.
- So weisen z.B. Zürich und Winterthur die höchsten Quoten auf, aber gleichzeitig ist der Kanton Zürich auch für seine starke Dezentralisierung bekannt.
- Der geringe Wert für Genf dürfte wiederum in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass hier ein Grossteil der Aufgabenverantwortung beim Kanton liegt.
- Um Basel innerhalb der Skala darstellen zu können, wurde sogar in die «Trickkiste» gegriffen: Zwischen Stadt und Kanton gibt es hier nämlich gar keine Verwaltungstrennung. Um die Zahl der kommunalen Angestellten sinnvoll mit den anderen Städten vergleichen zu können, muss also eine künstliche Trennung her. Eine solche ist überschlagsmässig anhand der Steuerfüsse möglich: Die Stadt Basel (mit kombinierter Stadt- und Kantonsverwaltung) erhebt einen Steuerfuss von 100 Punkten. Dass die beiden übrigen baselstädtischen Gemeinden Riehen und Bettingen 50 Steuerfusspunkte an den Kanton für dessen Leistungen abgeben müssen, legt ein 50/50 Verhältnis zwischen Stadt vs. Kanton nahe. Entsprechend wurde die Hälfte der gesamten Staatsangestellten der Stadt zugeschlagen.
- Am auffälligsten vor diesem Hintergrund ist wohl Luzern: Gemessen an den Ausgaben (Gemeinden vs. Kanton) ist der Kanton am drittstärksten dezentralisiert, und trotzdem hat er von allen zehn Städten mit 15,6 VZÄ pro 1000 Einwohner die niedrigste Quote Staatsangestellter. Die Verwaltung der Stadt Luzern kann also mit hoher Zuversicht als schlank bezeichnet werden.
- Umgekehrt hat Lausanne mit 24,1 VZÄ pro 1000 Einwohner eine grosse kommunale Verwaltung, obwohl der Kanton verhältnismässig zentralisiert ist.
Überproportionale Zunahme in fünf Städten, absolute Abnahme in Lausanne
Die Analyse der Entwicklung seit 2011 zeigt, dass sich gesamthaft der Unterschied zwischen den grössten Städten und dem Rest der Schweiz immerhin nicht weiter vergrössert hat: Die zehn grössten Städte hatten bei den Staatsangestellten einen Zuwachs von 13% zu verzeichnen, während sich ihre Einwohnerzahl um 10% erhöhte. In den übrigen Gemeinden ist die Zahl der Staatsangestellten bis 2022 sogar um satte 27% gewachsen, während das Bevölkerungswachstum mit 11% kaum höher lag als in den grössten Städten. Entsprechend ist die Quote (Verwaltungsangestellte pro 1000 Einwohner) in den übrigen Gemeinden stärker gestiegen als in den grössten Städten.
Die Entwicklung der Stellenzahl lässt sich besser zwischen den Städten vergleichen als die Niveaus. Zu beobachten ist das ganze Spektrum an vorstellbaren Szenarien:
- In Lausanne ist die absolute Anzahl an Verwaltungsangestellten gesunken. Lausanne ist es demnach gelungen, mit dem Stellenabbau und einer wachsenden Bevölkerung ihre Quote seit 2011 stark zu senken.
- In den Städten St. Gallen, Luzern, Winterthur und Genf nahm die absolute Zahl an Verwaltungsangestellten seit 2011 zwar zu. In dieser Gruppe wuchs jedoch die Bevölkerung schneller als die Zahl der Verwaltungsstellen. Somit resultierte auch hier eine Reduktion der Quote über die 11 Jahre hinweg. In Winterthur war diese Reduktion – aufgrund des starken Bevölkerungswachstums – beinahe so stark wie in Lausanne, in St. Gallen entwickelte sich die Beamtenzahl dagegen fast im Gleichschritt mit der Bevölkerung.
- In Biel, Lugano, Zürich, Bern und Basel ist die Zahl der städtischen Verwaltungsangestellten überproportional zum Bevölkerungswachstum gestiegen. Mit Abstand am stärksten stieg die Quote in der Stadt Basel, wo die Verwaltung mit 24% viermal so stark gewachsen ist wie die Bevölkerung. Diese Entwicklung ist sicher auch ein Ausdruck dessen, dass die Steuereinnahmen der Rheinstadt in den letzten Jahren aufgrund des Pharmabooms sprudelten. Ebenfalls einen deutlichen Anstieg der Quote verzeichneten Bern und Zürich. In Bern ist die Zahl der Verwaltungsangestellten um 20% gestiegen und die Einwohnerzahl um 8%. In Zürich vergrösserte sich die Verwaltung um 21%, während der Bevölkerungszuwachs 14% betrug.
Dass die kommunalen Verwaltungen mit der Bevölkerung wachsen, überrascht nicht. Denn Skaleneffekte dürften bei der Aufgabenerfüllung auf kommunaler Ebene eine untergeordnete Rolle spielen (Aufgaben mit starken Skaleneffekten sind nicht umsonst tendenziell auf Kantons- oder Bundesebene angesiedelt). Problematisch ist jedoch das überproportional hohe Wachstum der Verwaltungen in der Hälfte der Städte.
Erstens ist dieser Trend in der langen Frist logischerweise nicht nachhaltig. Zweitens kann das überproportionale Wachstum ein Hinweis auf mangelnde Effizienz in der Aufgabenerfüllung sein. Über die Zeit kommt es in jeder Organisation aufgrund technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen zu Doppelspurigkeiten und Leerläufen, das heisst, zu Anpassungsbedarf. Im Gegensatz zu privaten Unternehmen (die ohne Anpassungen an die neuen Realitäten bald aus dem Markt ausscheiden würden) ist der Staat unter keinem Zwang, diese Anpassungen immer wieder vorzunehmen. Umso weniger, wenn, wie in der Stadt Zürich, die Steuereinnahmen steigen und steigen. Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Zürcher Verwaltung stark, die Verwaltung der Stadt Winterthur (die diesen Steuersegen nicht in diesem Ausmass hatte) dagegen deutlich weniger stark gewachsen ist.
Drittens besteht die Sorge, dass ein zu stark wachsender öffentlicher Sektor der Privatwirtschaft gut qualifiziertes Personal entzieht. Wenn Basel, Bern und Zürich also einen Brain-Drain aus der Privatwirtschaft in Richtung der öffentlichen Verwaltung verhindern wollen, sollten sie sich um eine möglichst baldige Umkehr dieses Wachstumstrends bemühen.