Im Normalfall werden in der Schweiz etwas mehr Unternehmen gegründet als geschlossen, doch die vergangenen zwei Jahre waren alles andere als normal. Nach dem Auftreten des neuartigen Corona-Virus Anfang 2020 haben die meisten Länder tiefgreifende Massnahmen ergriffen. Diese haben das Wirtschaftsleben teilweise fast ganz zum Erliegen gebracht. Das spiegelt sich auch in der Schweizer Firmenlandschaft, aber nicht so, wie wohl mancher erwarten würde.
Vor einem Jahr einfacher zu erklären
Vor einem Jahr hat Avenir Suisse aufgezeigt, dass in den ersten zwölf Monaten der Pandemie die Zahl der Firmenkonkurse markant zurückgegangen ist. Diese Beobachtung galt sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch im Vergleich mit zwei vorhergehenden Wirtschaftskrisen: der Finanzkrise 2008 sowie dem Frankenschock 2015. Gleichzeitig haben die Firmengründungen massiv angezogen. Es kam zu einem regelrechten Gründungsboom – diese Entwicklung war in anderen Ländern ebenfalls zu beobachten.
Der Rückgang der Konkurse konnte damals mit den vielfältigen staatlichen Unterstützungsmassnahmen erklärt werden. Hinter den Gründungen dürften neue Geschäftsmöglichkeiten gestanden haben, welche die Pandemie eröffnet hat. Beispielsweise haben der Digitalisierungsschub und Homeoffice zu neuen Konsummustern geführt.
Bei den Neugründungen zeigte sich denn auch ein differenzierteres Bild über die Branchen als bei den Konkursen: Während letztere in der Breite zurückgingen, kam es in gewissen Wirtschaftssektoren zu deutlich mehr Gründungen als in anderen.
Trend hält weiter an
Wie neuste Daten zeigen, hat der im ersten Pandemiejahr beobachtete Trend 2021 weiter angehalten. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Konkurse und der Gründungen seit Krisenbeginn. Die Pandemie fällt weiterhin deutlich aus dem Muster früherer Krisen heraus. So hinkte die Konkursentwicklung im Jahr 2021 hinter jenen der Vorkrisenjahre her. Erst am aktuellen Rand der Daten scheint sich eine Normalisierung oder gar eine Trendumkehr abzuzeichnen. Diese ist allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, da die jüngsten Konkursdaten in den darauffolgenden Monaten tendenziell noch leicht nach unten korrigiert werden.
Was es bei den Daten zu beachten gilt
In der Abbildung wurden die Konkurse und Gründungen jedes Monats seit Ausbruch der Krise mit dem Durchschnitt der jeweils gleichen Monate der drei Vorkrisenjahre verglichen und die Differenzen kumuliert. Waren die Konkurse oder Gründungen in einem beliebigen Krisenmonat tiefer, als man das mit Blick auf die Vergangenheit hätte erwarten dürfen, sinkt die Kurve – im umgekehrten Fall steigt sie.
Bei der Interpretation der Daten muss berücksichtigt werden, dass die meisten Firmen, die aus dem Markt ausscheiden, nicht Konkurs gehen. Im Jahr 2019 wurden über 30’000 Firmen aus dem Handelsregister gelöscht, während es im selben Zeitraum zu rund 4600 «klassischen» Konkursen nach SchKG kam. Bis eine Firma allerdings aus dem Handelsregister gelöscht wird, vergehen oft Monate, wenn nicht Jahre. Die Konkursstatistik bietet sich deshalb als zeitnaher Indikator für das Ausscheiden von Firmen aus dem Markt an.
Bei den Zahlen zu den Neueintragungen von Firmen gibt es diese Limitierung nicht. Die Gründungszahlen zeichnen dabei die vor einem Jahr identifizierte Entwicklung weiter. Wie die Abbildung zeigt, hielt der Gründungsboom ungebrochen an; auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie kann hier noch keine Normalisierung oder eine Trendumkehr identifiziert werden.
Dieser Blogbeitrag ist als eine erste deskriptive Analyse der aktuellen Entwicklungen in der Schweizer Firmenlandschaft zu verstehen. Eine vertiefte empirische Untersuchung würde idealerweise das allgemeine Trendwachstum beim Firmenbestand berücksichtigen, was die Kurven leicht nach unten verschöbe. Dessen ungeachtet dürfte sich an der grundlegenden Einschätzung wenig ändern: Die Covid-19-Pandemie hat sich stark und anders als frühere Krisen auf die Firmenlandschaft ausgewirkt – und die Effekte auf die Firmendemografie sind auch zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie noch deutlich sichtbar.
Back to normal?
Aus dem öffentlichen Leben ist die Pandemie bereits fast ganz verschwunden. Nur noch einzelne gesundheitspolitische Massnahmen sind verblieben. Demnächst dürfte der Bundesrat die ausserordentliche Lage aufheben. Dessen ungeachtet bleiben verschiedene während der Pandemie aufgezogene Schutzschirme für die Wirtschaft weiter aufgespannt – so beispielsweise bei der Kurzarbeit. Zudem gab es bisher noch wenig Druck, die zu Beginn der Krise ausbezahlten «Covid-19-Kredite» zu amortisieren.
Die Entwicklung der Firmenlandschaft dürfte somit in den nächsten Monaten unterschiedlichen Kräften ausgesetzt sein. Ein paar Faktoren sprechen gerade bei den Konkursen dafür, dass diese in den kommenden Monaten anziehen könnten. Sobald die Stützungsmassnahmen auslaufen, könnte es zu einer Bereinigung von nicht mehr überlebensfähigen Firmen kommen. Zudem zeigen die jüngsten geopolitischen Entwicklungen klar: Nach der Krise ist vor der Krise. Es ist denkbar, dass im nächsten wirtschaftlichen Abschwung die Zunahme der Konkurse überproportional ausfallen könnte – also ein gewisser Nachholeffekt zu beobachten ist.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Über den Lebenszyklus von Firmen».
Einen Vorschlag für eine neue Rechtsform mit vereinfachter Gründung finden Sie in unserer Analyse: «Eine digitale Mini-GmbH für die Schweiz».