Nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind für zwei Drittel aller Todesfälle in der Schweiz verantwortlich. Die Risikofaktoren für die Entstehung dieser Krankheiten sind vielfältig, darunter der Konsum von zucker-, salz- und fettreichen Lebensmitteln. Durch Branchenvereinbarungen kann der Privatsektor eine wichtige Rolle bei der Reduzierung des übermässigen Konsums spielen und so zu den Präventionsbemühungen beitragen.

In der Schweiz wurden zusammen mit den Herstellern Initiativen lanciert, um den Konsum dieser ungesunden Inhaltsstoffe zu bekämpfen. Im Jahr 2015 verpflichteten sich in der «Erklärung von Mailand» zehn Lebensmittelunternehmen, den Zuckergehalt in Joghurts und Frühstückscerealien zu reduzieren.

Der Erfolg der Erklärung von Mailand

Mit grossem Erfolg: Innerhalb von drei Jahren wurden die gesetzten Ziele übertroffen. Bis 2018 wurde der Zuckergehalt in Joghurt um 3,5% (statt der angestrebten 2,5%) und in Cerealien um 13% (statt 10%) reduziert. Nach dieser erfolgreichen ersten Phase wollen die beteiligten Parteien ihr Engagement bis 2024 fortsetzen und streben eine weitere Reduktion von 10% bzw. 15% des Zuckergehalts in Joghurt und Getreide an.

Gemäss Bund soll die Erklärung auf Zucker- und Milchgetränke sowie Quark ausgeweitet werden. Die konkreten Ziele werden in den nächsten Wochen bekanntgegeben.

Effektive, schnelle und flexible Branchenvereinbarungen

Das Beispiel illustriert den effektiven Ansatz freiwilliger Branchenvereinbarungen: Die angestrebten Zielvorgaben wurden übererfüllt und der Umfang der betroffenen Lebensmittel wurde erweitert. Die engen Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren Kunden bieten eine starke Hebelwirkung, um die Volksgesundheit positiv zu beeinflussen. Unternehmen wissen am besten, welche neuen Produkte erfolgreich sind und welche Rezepte geändert werden können, ohne an Attraktivität zu verlieren. Massnahmen müssen Kundenpräferenzen berücksichtigen, um wirksam zu sein.

Ausserdem garantieren solche Vereinbarungen eine schnelle Umsetzung – schneller als wenn der Staat einen ganzen Sektor regulieren würde. So können «Early adopters» ihre Anstrengungen bündeln und andere dazu motivieren, sich ihnen nach und nach anzuschliessen. Zögernde Akteure werden ohne äusseren Zwang zur Teilnahme bewegt.

Die formulierten Ziele der Erklärung von Mailand sind eindeutig definiert. Die Unternehmen haben jedoch  Spielraum, um sie zu erreichen: die Anpassung bestehender Rezepte, die Einführung gesünderer Produkte oder den Rückzug bestimmter Erzeugnisse. Ein koordiniertes Vorgehen zwischen den Unterzeichnern der Erklärung verringert auch das Risiko, bei Rezepturänderungen Kunden zu verlieren, da die Konkurrenz ähnliche Ansätze verfolgt.

Von Branchenvereinbarungen profitieren somit alle Beteiligten: Die Unternehmen machen ihre Bemühungen für ihre Konsumenten sichtbar und beweisen gleichzeitig Investoren und Regulierungsbehörden, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen wirksam und glaubwürdig sind. Der Staat wiederum vermeidet schwerfällige bürokratische Verfahren.

Die Gewohnheiten der Konsumenten müssen berücksichtigt werden, wenn Lebensmittel gesünder werden sollen. (Elena Koycheva, Unsplash)

Salz im Getriebe

Dennoch gibt es bei Branchenvereinbarungen Stolpersteine. Im Dezember letzten Jahres berichtete die «Sonntagszeitung», eine Einigung des Bundes und der Industrie auf eine Reduktion des Salzgehalts in gewissen Lebensmitteln sei gescheitert. Deshalb konnte dieses Ziel nicht mit in die Erklärung von Mailand aufgenommen werden.

Die Lebensmittelindustrie befürchtete Umsatzeinbussen und wollte die Möglichkeit haben, die Reduktion des Salzgehalts durch geschmackliche Ersatzstoffe auszugleichen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) lehnte diesen Ansatz jedoch mit dem Argument ab, die Konsumenten hätten sich an einen weniger salzigen Geschmack zu gewöhnen.

Weitaus problematischer war jedoch die Tatsache, dass die Verwaltung daraufhin drohte, regulatorische Massnahmen zu ergreifen und sich dabei an den Praktiken im Ausland zu orientieren, wie die Sprecherin der BLV in der «Sonntagszeitung» zitiert wurde.

Die Verhandlungen fortsetzen

Auch wenn das Scheitern der Verhandlungen über den Salzgehalt bedauernswert ist, sollte der Ansatz von Branchenlösungen nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Es würde bedeuten, auf eine Methode zu verzichten, die den Konsum ungesunder Lebensmittel wirksam und effizient reduzieren kann.

Es ist zu hoffen, dass die Verhandlungsparteien die Diskussionen wieder aufnehmen und für salzhaltige Lebensmittel eine ähnliche Lösung wie für gesüsste gefunden werden kann. Die Erklärung von Mailand zeigt, dass Branchenvereinbarungen ein bewährtes Instrument im Gesundheitswesen sind, von dem alle profitieren können: Konsumenten, Industrie und Staat.