Die Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» hatte nie den Hauch einer Chance. Der Versuch, den Sozialstaat umzukrempeln, und dies in einer Zeit, die für Experimente wenig Geduld hat, war von vornherein zum Scheitern verurteilt – entsprechend wird es wohl an der Urne ausgehen.

Doch für etwas hätte die Initiative gut sein können: Eine ehrliche Diskussion um die Zukunft der Schweizer Sozialpolitik. Ist der real existierende Sozialstaat, mit seiner Fülle an teilweise bevormundenden, vermehrt widersprüchlichen und administrativ aufwendigen Programmen die richtige Antwort auf Phänomene wie Working-Poors, Jugendarbeitslosigkeit oder mangelhafte Integration? Wäre eine radikale Vereinfachung nicht für alle von Vorteil? Doch so weit ist die Debatte gar nicht gekommen. Lieber baden die Initianten in 5-Rappen-Stücken oder paradieren in Roboter-Kostümen (weil uns allen die Arbeit ausgeht). Die Argumente, die sie zur Verteidigung ihrer Idee liefern, sind bestenfalls als naiv zu bezeichnen. Was kann man mit Studien anfangen, die das Grundeinkommen als stressabbauend anpreisen und dabei glatt übersehen, dass die Finanzierung dieser Manna manchen Haushalten arge Sorgen bereiten würde?

Bezüger tiefer Löhne werden zur Kasse gebeten

Wie nachlässig die Initianten mit der eigenen Utopie umgehen, zeigt auch das von ihnen bevorzugte Finanzierungsmodell. Das Grundeinkommen von 2500 Franken im Monat soll aus der «Abschöpfung», also Besteuerung, der tiefen Löhne finanziert werden. Wer weniger verdient, müsste den Lohn abliefern und im Gegenzug das Grundeinkommen beziehen. Wer mehr als 2500 Franken verdient, würde hingegen netto nicht direkt zur Finanzierung beitragen. Man würde genauso viel aus dem Grundeinkommen-Topf erhalten, wie man dazu beisteuert. (Den dann noch fehlenden Betrag von 25 Milliarden Franken möchten die Initianten mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer decken.) Damit aber würden alle Einkommen unter 2500 Franken mit einem Grenzsteuersatz von 100 Prozent belegt. Teilzeitarbeit wäre dann kaum mehr interessant. Aber merkwürdigerweise sind die Verfechter des Grundeinkommens felsenfest davon überzeugt, dass eine solche Strafsteuer keine Konsequenzen auf das Arbeitsangebot hätte. Ebenso könnte man die Schwerkraft in Abrede stellen.

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Die in der ökonomischen Literatur seit Jahrzehnten diskutierten Finanzierungsmodelle des Grundeinkommens verschliessen sich hingegen nicht der Realität. Sie anerkennen explizit die möglichen negativen Anreizwirkungen, die von bedingungslosen Einkommenszuschüssen ausgehen. Statt diese Effekte zu maximieren – wie der erwähnte Finanzierungsvorschlag es implizit tut –, versuchen sie diese möglichst klein zu halten, indem sie niedrige Steuerbelastungen im sensiblen Tieflohnbereich anstreben.

Doch auch diese Varianten des Grundeinkommens kämen teuer zustande. Trotz Verzicht auf Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung und AHV müssten ungefähr 150 Milliarden Franken an zusätzlichen Steuereinnahmen generiert werden, um ein Transfereinkommen von monatlich 2500 Franken zu sichern. Alleine dafür müsste eine happige Lohnsteuer von 42 Prozent erhoben werden. Ferner müsste die Finanzierung von 100 Milliarden Franken an sonstigen Sach- und Transferausgaben (für Schulen, Strassen, Armee, Gesundheit) gewährleistet bleiben. Auch bei einer moderaten Sensitivität des Arbeitsangebots auf Veränderungen der Steuerbelastung wäre mit spürbaren Verhaltensanpassungen in Form von Arbeitszeitverkürzung, Rückzug aus dem Arbeitsmarkt oder gar Auswanderung zu rechnen.

Bestenfalls ein Einkommen von 1000 Franken im Monat

Einfache Modellrechnungen zeigen, dass auch bei diesen Finanzierungsmodellen das anvisierte Grundeinkommen von monatlich 2500 Franken schlicht nicht erreichbar wäre. Laut unserer Analyse liesse sich ein Grundeinkommen von weniger als 1000 Franken im Monat ökonomisch auszahlen – und dies nur unter der unrealistischen Bedingung, dass man die Steuerzitrone vollständig auspressen würde. Eine Finanzierung per Mehrwertsteuer, bei der die Steuerbasis breiter ausfällt, würde die Rechnung nur leicht verschönern.

Effektivere Alternativen zum Grundeinkommen bestünden jedoch durchaus. Dazu gehören Modelle wie das EITC (Earned Income Tax Credit), das Löhne über ein System von Steuergutschriften subventioniert. Realistischere Alternativen verzichten allerdings auf den problematischsten (und teuersten) Aspekt des Grundeinkommens – seine Bedingungslosigkeit. Sie sollten auch in der Schweiz eingehender diskutiert zu werden. Doch dafür müsste zuerst das Roboter-Kostüm abgelegt werden.

Dieser Beitrag ist in der «Handelszeitung» vom 12. Mai 2016 erschienen.