Der Lockdown hat gezeigt: Hiesige Bildungsinstitutionen konnten  eine ungeahnte Agilität an den Tag legen. Innert kürzester Zeit haben die meisten Schulen den Unterricht quasi über Nacht umgestellt, Lehrpersonen, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende haben Aussergewöhnliches geleistet. In den meisten Fällen wurde sichergestellt, dass trotz geschlossenen Gebäuden der Unterricht nicht ausfiel.

Diese Schaffenskraft und den Willen zur Veränderung gilt es für die Zeit nach Corona zu erhalten. Auch in Zukunft wird eine rasche Anpassungsfähigkeit des Bildungssystems, dessen Institutionen und der Lernenden notwendig sein:

  1. Die Digitalisierung hat eine Demokratisierung des Wissens ermöglicht, und in der Folge haben Bildungsinstitutionen ihr Wissensmonopol eingebüsst. Strukturierte Informationen sind heute jederzeit, überall und meist kostenlos über das Internet abrufbar. Einen Vorteil verschafft sich nicht mehr, wer Wissen «besitzt», sondern wer es zugänglich macht und verbreiten kann.
  2. Lernen ausserhalb formaler Strukturen ist selbstverständlich geworden. Bildungsabschlüsse haben jedoch noch nicht an Wichtigkeit eingebüsst und besitzen weiterhin ihre Signalwirkung. Es gibt aber viele neue Wege, sich Wissen ausserhalb angestammter Institutionen anzueignen. Die «Do-it-yourself» -Mentalität setzt sich zunehmend auch in der Bildung durch.
  3. Der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit verlangt stetiges Dazulernen. Insbesondere Bildungsinstitutionen der ersten Stufen legen dabei das Fundament für lebenslanges Lernen. Frühe Bildungslücken lassen sich im Verlauf einer Bildungskariere oder während des Erwerbslebens nur schwer aufholen.

Die Bildungsinstitutionen bleiben in Zeiten des technologischen Wandels wichtig, auch wenn sich Ihr Angebot wandeln wird. (Mikael Kristenson, Unsplash)

Galten für die Baby-Boomer-Generation ein erfolgreicher Lehrabschluss oder eine bestandene Maturitätsprüfung als Garanten einer aussichtsreichen Berufskariere, sind diese Bildungsabschlüsse heute lediglich ein Schritt auf einem lebenslangen Bildungsweg. Dank der Einführung der Berufsmaturität konnte die Attraktivität der dualen Ausbildung ausgebaut und auf die steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes reagiert werden. Mittlerweile besitzen mehr als 50% der in der Schweiz wohnhaften 25- bis 34-Jährigen einen Teritär-Abschluss, ohne dass die befürchtete Akademikerschwemme eingesetzt hätte. Die Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystems, das verschiedene Bildungskarrieren ermöglicht, muss daher weiter gestärkt werden.

Zwar lässt sich die Akkumulation von Humankapital der jüngeren Generation insbesondere anhand der Zunahme formaler Bildungsabschlüsse messen, Lernen wird von den Jugendlichen jedoch auch ungezwungen und ausserhalb der strukturierten Bildung praktiziert. Soziale Medien haben das informelle Lernen wesentlich erleichtert. Sogenannte How-to-Videos zählen zu den meistgesehenen auf YouTube. Darauf wird auch Algebra einfach erklärt, sollte der eigene Lehrer nicht genügen. Und immer mehr Hochschulen stellen Teile ihrer Lehrveranstaltungen auf sogenannten MOOC-Plattformen (kurz für: Massive Open Online Courses) einer unbegrenzten Anzahl Interessierten meist kostenlos zur Verfügung.

Die Diplominflation muss kritisch hinterfragt werden. Letztlich sollte auf dem Arbeitsmarkt weniger zählen, welches Diplom eine Person vorzuweisen hat, sondern welche Fertigkeiten sie besitzt. Eigeninitiative beim lebenslangen Lernen soll sich auch ohne formalen Abschluss lohnen.

Bildungseinrichtungen haben jedoch nicht ausgedient. Die Volksschule schafft das Fundament für lebenslanges Lernen und muss sich somit stetig an neuen Anforderungen orientieren. Mit der Corona-Pandemie erlebte die Schule einen wahrlichen Digitalisierungsschub. Vergessen geht ob dieser Euphorie häufig, dass hinter der Digitalisierung eine der wichtigsten Wissenschaftsdisziplinen des begonnenen Jahrtausends steckt: die Informatik. Trotz dem Lehrplan 21 lebt dieses Fach nach wie vor ein Mauerblümchendasein. Hier muss unbedingt nachgebessert werden, damit nicht nur «kompetente» Konsumenten, sondern auch aufgeklärte Produzenten und Bürger hervorgehen.

Nicht zuletzt hat der föderale Staatsaufbau wesentlich dazu beigetragen, dass die Corona-Schutzvorkehrungen so gut abgefedert werden konnten und können. Denn der Föderalismus erlaubt es, auf die individuellen Ausgangslagen Rücksicht zu nehmen. Ebenso trägt die relativ hohe Autonomie der Institutionen zur Anpassungsfähigkeit des Bildungssystems bei. Die Corona-Pandemie hat zum Vorschein gebracht, welchen Stellenwert der Föderalismus sowie die Autonomie für eine schnelle Reaktionsfähigkeit haben und welches  Potenzial zum Wandel den Schweizer Bildungsinstitutionen innewohnt. Damit besitzt die Schweiz auch für künftige Veränderungen eine günstige Ausgangsbasis, die es zu erhalten gilt. Nun braucht es nur noch den Mut, ebenso in nicht Krisenzeiten neue Wege zu gehen.