Die Entlohnung der Frauen hat in den vergangenen dreissig Jahren kontinuierlich und deutlich aufgeholt. Die Frauenlöhne bleiben jedoch weiterhin ca. 15% tiefer als diejenigen der Männer. Wie lässt sich diese Lücke weiter schliessen? Manche Gleichstellungsaktivistinnen pochen auf publizitätswirksamere Massnahmen wie Quoten, Lohnkontrollen oder andere Interventionen auf dem Arbeitsmarkt. Diese ändern freilich wenig an der Hauptursache der verbleibenden Lohndifferenzen: die Schwierigkeit, Karriere und Familie zu vereinbaren. Frauen arbeiten häufiger Teilzeit, sammeln weniger Arbeitserfahrung und machen deshalb seltener Karriere. Letztere ist aber der eigentliche Schlüssel zu einem höheren Lohn.

Zu oft stellt das Steuersystem eine zusätzliche Hürde zu einem stärkeren Engagement der Frauen im Erwerbsleben dar – oder es bietet «goldene Fesseln», die eine traditionelle Arbeitsaufteilung im Haushalt begünstigt. Dazu sechs konkrete Beispiele:

Gemeinsame Besteuerung der Einkommen: Die gemeinsame Veranlagung der Einkommen – wie wir sie in der Schweiz kennen – ist Gift für die Beschäftigung der Frauen. Wenn zur Bestimmung des Steuerbetrages eines Ehepaares das Gesamteinkommen herangezogen wird, ist die Grenzsteuerbelastung für beide Partner dieselbe. Das Einkommen der Zweitverdienerin (zu 90% handelt sich ja um die Frau) wird damit zu einem höheren Steuersatz besteuert als im Falle einer Individualbesteuerung – besonders dann, wenn der Ehemann überdurchschnittlich verdient. Neuere Studien für Frankreich, USA, die EU, die Tschechische Republik, Schweden, Deutschland und Österreich kommen alle zum gleichen Schluss: Der Anteil der vollzeitbeschäftigten Frauen liesse sich spürbar erhöhen, wenn die Individualbesteuerung konsequent zur Anwendung käme. Die erwähnten Studien schätzen die Erhöhung der Erwerbsquoten auf zwischen 2 und 10 Prozentpunkte.

Zweitverdienerabzug: Um diese bekannten Nachteile der gemeinsamen Besteuerung etwas zu lindern, haben der Bund und einige Kantonen einen Abzug für Zweitverdiener eingeführt. Dieser Abzug wirkt aber faktisch wie eine Subvention einer geringen Arbeitsmarktpartizipation von Frauen, weil er seine volle Wirkung bereits bei einem Pensum von ca. 10% bis 15% erreicht. Was über der Abzugsgrenze liegt, wird zum höheren Steuersatz des Erstverdieners voll besteuert.

Fehlende Abzugsfähigkeit der Fremdbetreuungskosten: Grundsätzlich entstehen für Frauen mit Kindern durch die Erzielung von Einkünften Fremdbetreuungskosten. Diese sollten vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können. Dies ist aber oft nicht im vollen Umfang möglich: In einigen Kantonen liegt der maximale Abzug oft tiefer als die tatsächlichen Kosten, vor allem, wenn beide Eltern erwerbstätig sind.

Kinderzulagen: Allzu grosszügige Kinderzulagen reduzieren tendenziell den Anreiz, eine bezahlte Beschäftigung aufzunehmen, weil sie unabhängig von der Erwerbstätigkeit der Eltern anfallen. Das erhöhte verfügbare Haushaltseinkommen führt dann zu einer Abnahme des Arbeitsangebotes, vor allem der Mütter.

Heiratsbonus in der AHV: Durch die Beitragsbefreiung und das Splitting der Beiträge während der Ehe kann eine halbe bis eine ganze zusätzliche AHV-Rente ausgelöst werden – ohne dass der oder die Empfängerin je zur Finanzierung der AHV beigetragen hat. Dieser Vorteil wird auch kinderlosen Ehepartnern gewährt. Er veranlasst manche Frauen, weniger zu arbeiten (und für die Rente zu sparen).

Witwenrenten bei der AHV: Mit der Witwenrente bietet die AHV den Ehepaaren eine «kostenlose» Lebensversicherung, die gemäss Schätzungen des BSV pro Jahr mit mehr als 1.5 Mrd. Franken zu Buche schlägt. Die Rente wird allen verheirateten Frauen mit Kindern, aber auch kinderlosen Frauen gewährt. Witwerrenten sind deutlich seltener: 98% der bezahlten Renten gehen an Frauen.

Einkommensabhängige Tarife der Kitas: In der Regel sind Krippentarife stark progressiv. In bestimmten Gemeinden können die Betreuungspreise je nach Einkommen um den Faktor 20 variieren. Gut ausgebildete Mütter, die ihr Arbeitspensum erhöhen und dafür Betreuungsleistungen für ihre Kinder beanspruchen, sind gleich doppelt getroffen. Nicht nur müssen sie für die Betreuungskosten aufkommen – mit dem höheren Lohn steigt auch der Preis der Betreuung.

Gleichstellung: Steuerliche Fehlanreize für berufstätige Frauen in der Schweiz | Avenir Suisse

Dies sind nur einige der Hürden, die einer höheren Beschäftigung der Frauen – und höheren Löhnen in den Weg stehen. Im Unterschied zu staatlich verordneten Quoten und amtlicher Lohnüberwachung würde die Eliminierung der aufgezählten «goldenen Fesseln» und steuerlichen Benachteiligungen dazu beitragen, dass Frauen und Männer ihr Potenzial gleichermassen ausschöpfen könnten.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in der Avenir-Suisse-Publikation «Gleichstellung».