Als Avenir Suisse Anfang dieses Jahres den 6. internationalen Think-Tank-Summit zum Thema «Challenges of a multipolar world» durchführte, war der Überfall Russlands auf die Ukraine noch kein Thema. Der Fokus lag auf der Rivalität zwischen den USA und China und wie sich diese auf verschiedene Politikbereiche auswirkt. Infolgedessen wurden vier Panels zu den Themen «Handel und Investitionen», «Technologie und Sicherheit», «Geopolitik und Institutionen» sowie die Rolle kleiner offener Volkswirtschaften organisiert.
Die Aufzeichnungen dieser Diskussionen werden in einzelnen Beiträgen veröffentlicht. Bisher haben wir die Begrüssungsrede von Avenir-Suisse-Direktor Peter Grünenfelder (hier) und die Eröffnungsrede von Bundeskanzler Walter Thurnherr (hier), sowie die Keynote und die Podiumsdiskussion aus dem Block «Handel und Investitionen» (hier) publiziert.
Im Block «Technologie und Sicherheit» sprach Tim Rühlig, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, über die Geopolitik von Technologie und technischen Standards. Er spricht unter anderem die Tatsache an, dass die Interdependenz, die durch die Globalisierung hervorgerufen wird, nicht mehr als stabilisierende Kraft in internationalen Angelegenheiten angesehen wird. Stattdessen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Gewisse Aspekte, so beispielsweise die globale Konnektivität, werden nicht mehr als Grund für eine Zusammenarbeit gesehen, sondern als Waffe eingesetzt, um einen Vorteil gegenüber anderen zu erlangen.
Dieser Wandel lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Zwei wichtige davon sind:
- Chinas Machtzunahme: Früher gab es keine andere Möglichkeit, als dem Beispiel der USA zu folgen und die amerikanischen Standards oder Normen zu akzeptieren. Dies führte zu einer globalen Angleichung der Staaten, die jedoch nicht auf einem Konsens, sondern auf der Tatsache beruhte, dass es keine Alternativen gab. Mit Chinas Aufschwung sind die Standards in einen Wettbewerb zueinander getreten.
- Digitale Transformation von Wirtschaft, Sicherheit und Gesellschaft: Dank der technologischen Entwicklung hängen Macht und Einfluss eines Landes nicht mehr alleine von dessen militärischer Stärke ab, sondern auch davon, ob es Netzwerke kontrollieren kann. Das schafft Chancen für Länder, die traditionell nicht als mächtig galten.
Anschliessend an Tim Rühligs Rede stiess Fabio Rugge, Senior Associate Fellow am ISPI und stellvertretender Ständiger Vertreter Italiens bei der Nato, für eine Podiumsdiskussion hinzu. Die Diskussion wurde von Teresa Hug Alonso, Researcher bei Avenir Suisse, moderiert.
In seinem Eröffnungsstatement erklärte Fabio Rugge die Gefahren der Cybersicherheit am Beispiel der 5G-Technologie: «Das 5G-Netz ist das Nervensystem, das alle Dimensionen der Gesellschaft miteinander verbindet. Wenn eine fremde Macht diese Technologie kontrolliert, besteht ein ausserordentlichea Risiko, dass sie das Netzwerk anzapft, versteht, was wir tun, und Informationen von strategischer Bedeutung erhält.» Das ist eine klassische Bedrohung durch Spionage. Es besteht aber auch die Gefahr der Sabotage: «Wenn wir von einer ausländischen Macht abhängig sind: Was passiert dann, wenn eine Krise eintritt – können wir uns darauf verlassen, dass die ausländische Macht uns weiterhin mit der Technologie versorgt?»
In den Videobeiträgen erfahren Sie, wie die Diskussionsteilnehmer einige dieser Herausforderungen angehen wollen und welche Rolle technische Normen dabei spielen können.