Die vom Bundesrat angeordnete Teilschliessung der Wirtschaft zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat viele Unternehmen und Selbständige in grosse Schwierigkeiten gebracht. Zur Milderung der wirtschaftlichen Schäden und zur Bereitstellung von Liquidität für die Realwirtschaft hat der Bund ausserordentliche finanzielle Mittel gesprochen.
Diese Ausgaben werden sich zusammen mit dem Rückgang der Steuereinnahmen drastisch auf die Bundesfinanzen auswirken. Gemäss Prognosen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) wird für 2020 ein Defizit von 30 bis 50 Mrd. Fr. erwartet.
Steigende Ausgaben…
Bis zum 20. Mai 2020 hat der Bund 72 Mrd. Fr. für den Kampf gegen die Pandemie bereitgestellt (vgl. Tabelle 1).
Zwei Fünftel dieser Unterstützungen erfolgten als A-fonds-perdu-Beiträge, und sie wurden ohne Gegenleistung gewährt (30 Mrd. Fr. bzw. 42%). Der Rest wird in Form von Darlehen oder Bankgarantien gewährt (42 Mrd. Fr. bzw. 58%).
Zwei Darlehenstranchen für Unternehmen in Form von Bankgarantien in Höhe von insgesamt 40 Mrd. Fr. machen den grössten Teil der vom Bund gewährten Darlehen und Garantien aus. Zwei Drittel der A-fonds-perdu-Beiträge sind für die Stabilisierung der Sozialwerke bestimmt.
Auch bei den Kantonen wurden ausserordentliche Ausgaben getätigt, denn fast alle haben eigene Finanzhilfen zur Unterstützung ihrer Wirtschaft gesprochen – gemäss einer Schätzung von Economiesuisse waren es zwischen März und April 313 Mio. Fr. an A-fonds-perdu-Beiträgen und 2 Mrd. Fr. an Darlehen. Die Komplementarität dieser Massnahmen mit denen des Bundes bzw. deren Wirksamkeit ist zu hinterfragen.
… und sinkende Einnahmen
Die wirtschaftliche Verlangsamung wird sich auf die meisten Steuereinnahmequellen des Bundes auswirken: die direkte Bundessteuer, die Einkommenssteuer für natürliche Personen, die Gewinnsteuer juristischer Personen, die Mehrwertsteuer, aber auch die Verrechnungssteuer oder die Mineralölsteuer.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es schwierig, die Auswirkungen der Pandemie auf die Steuereinnahmen zu quantifizieren. Eine erste Schätzung kann auf der Grundlage der Wachstumsprognosen des Seco vorgenommen werden. Da die Bundeseinnahmen stark mit dem BIP korreliert sind (Pearson r = 0,99), würde der vom Seco erwartete Rückgang des BIP um 6,7% zu einem Rückgang der Bundeseinnahmen von 74 Mrd. Fr. im Jahr 2019 auf 69 Mrd. Fr. im Jahr 2020 führen, was einem Verlust von 5 Mrd. Fr. entspricht.
Die Schuldenbremse bewährt sich und muss beibehalten werden
Im Jahr 2019 beliefen sich die Ausgaben des Bundes auf 71 Mrd. Fr. Die im Zuge der Coronakrise beschlossenen A-fonds-perdu-Ausgaben machen somit eine Erhöhung von fast 45% des jährlichen Staatsbudgets aus, was 5 Monaten ordentlicher Ausgaben entspricht. Gemäss den Prognosen des EFD wird dieser Betrag voraussichtlich weiter ansteigen, was das Defizit des Bundes weiter erhöhen wird.
Die finanzielle Situation des Bundes erlaubt es ihm, diese ausserordentlichen Aufwendungen zu bewältigen. Die Gesamtverschuldung von Bund, Kantonen, Gemeinden und Sozialwerken hat im Jahr 2018 rund 190 Mrd. Fr. erreicht oder 28% des BIP. Die Verschuldung des Bundes betrug 91 Mrd. Fr. oder 13% des BIP. Im Vergleich dazu betrug die Schuldenquote in der Europäischen Union im Jahr 2019 durchschnittlich 78% des BIP.
Die finanzielle Position der Schweiz beim Ausbruch der Coronakrise wurde durch die konsequente Umsetzung der Schuldenbremse in den vorhergehenden Jahren ermöglicht. Dank dieses Mechanismus verfügt der Bund über den notwendigen Handlungsspielraum, um entschieden gegen die Pandemie vorzugehen. Das Instrument stellt nämlich nicht nur sicher, dass die Bundesfinanzen jederzeit auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können, sondern bietet auch die nötige Flexibilität, um in Krisenzeiten davon abzuweichen (vgl. Box). Dies scheint sich in der gegenwärtigen Ausnahmesituation zu bewähren. Aus diesem Grund ist weder seine Demontage noch seine Lockerung wünschenswert.
Die Schuldenbremse
Die 2003 nach einer Volksabstimmung (mit 85% Ja-Stimmen) eingeführte Schuldenbremse soll die strukturellen Budgetsdefizite und das Anwachsen der Staatsverschuldung des Bundes eindämmen. Sie basiert auf zwei Regeln:
Erstens dürfen die Gesamtausgaben über den gesamten Geschäftszyklus hinweg die Gesamteinnahmen nicht übersteigen. Jede Abweichung vom regulären Haushalt wird auf ein Ausgleichskonto gebucht. Übersteigt der Überziehungskredit auf dem Konto 6% der Ausgaben, muss dieser Überschuss innerhalb von drei Jahren aufgefangen werden.
Zweitens sind ausserordentliche Ausgaben möglich, wie z.B. solche, die im Kampf gegen die Pandemie anfallen, die aber letztendlich durch den regulären Haushalt ausgeglichen werden müssen. Der Saldo der ausserordentlichen Einnahmen und Ausgaben wird auf dem Amortisationskonto verbucht, wobei Überziehungen innerhalb von sechs Jahren zurückzuzahlen sind. Die Bundesversammlung hat die Möglichkeit, diese Frist zu erstrecken.
Schulden abbezahlen, wenn die Krise vorbei ist: eine Frage der Gerechtigkeit
Die Frage der Rückzahlung der Corona-Schulden wird in den kommenden Jahren einen zentralen Platz in der öffentlichen Debatte einnehmen. Politisch ist es verlockend, den schwarzen Peter der Schulden künftigen Generationen zuzuschieben: Für Bürger, die noch nicht im Wahlalter sind, ist es schwierig, ihre Interessen zu verteidigen, dies gilt umso mehr für die noch gar nicht Geborenen. An sich ist die Beteiligung der nächsten Generation an der Schuldentilgung unproblematisch, solange sie davon profitieren können, wie es bei einzelnen Investitionen in die Infrastruktur der Fall ist. Die während der Pandemie aufgelaufenen Schulden sind jedoch nicht primär für Investitionen, sondern auch für den Konsum der heutigen Generation bestimmt.
Deshalb ist der Abbau von Schulden, die weitgehend der heutigen aktiven Generation zugute kommen, durch diese, das heisst innerhalb von 15 Jahren eine Frage der Generationengerechtigkeit – wie von Avenir Suisse in den Publikationen «Fahrplan für den Corona-Exit» und «Sozialwerke im Corona-Stresstest» vorgeschlagen hat.
Die Einhaltung dieses Prinzips ist umso wichtiger, als die nächsten Generationen ohnehin einen unverhältnismässig hohen Anteil an den Kosten der Reformen der Altersvorsorge tragen werden. Aus diesen Gründen muss die Schuldenrückzahlung nach den Regeln der Schuldenbremse erfolgen und dementsprechend in den allgemeinen Haushalt und die Finanzplanung des Bundes einbezogen werden. Nur so lässt sich intergenerationelle Gerechtigkeit erreichen.