Der menschgemachte Klimawandel birgt zwar zahlreiche Risiken, aber auch Chancentrotz der unter Klimaaktivisten grassierenden Resignation.  So ist etwa das Potenzial für die Schweizer Landwirtschaft bei einer erfolgreichen Anpassung an die neuen Bedingungen gross. Wiesen, Weiden und Ackerkulturen profitieren insgesamt von einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration. Auch die Grünlandproduktion wird durch die höheren Temperaturen begünstigt. Pro Grad Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur beginnt die Vegetationsperiode sechs bis sieben Tage früher und endet um die gleiche Dauer später. Durch eine Anpassung der Produktion und Einführung von wärmeresistenten Kulturen[1] wird in gewissen Regionen gar eine zweifache Ernte pro Jahr möglich.

Anpassungsbedarf bei der Landwirtschaft

Die sich hier bietenden Chancen werden aber durch das hohe Subventionsniveau der Schweizer Landwirtschaft ausgebremst. Da durchschnittlich 49% der Bruttoeinnahmen eines Hofes staatliche Transfers sind, haben Landwirte kaum Anreize, ihr Angebot umzustellen. Sie produzieren hauptsächlich das, wofür sie staatlich entlöhnt werden. Hohe Alpenlagen mit Vieh zu bewirtschaften, wurde im Mittelalter zum gewinnbringenden Geschäft. Mit zunehmender Trockenheit und ansteigenden Infrastrukturkosten wird die Alpwirtschaft mittlerweile aber nur durch Subventionen aufrechterhalten. Die volkswirtschaftliche Nettowertschöpfung der Landwirtschaft ist in den Gebirgskantonen schon heute negativ, durch den Klimawandel dürfte sich diese Tendenz noch weiter verstärken. Ein Überdenken des heutigen Subventionsrahmens und des regulatorischen Korsetts könnte die Umstellung zu einer profitablen Landwirtschaft unter neuen, wärmeren Bedingungen vereinfachen.

Weitere Chancen sind etwa der abnehmende Heizbedarf im Winter, das grössere Potenzial für Wasserkraft durch Gletscherbrachen oder die verbesserten Nutzungsgrade der Sonnenenergie. Selbst vermehrte Hochwasser können laut Aktionsplan des Bundes eine Chance darstellen, nämlich aus Sicht der Biodiversität, etwa wenn nach Überschwemmungen neue Lebensräume auf von Geschiebe überlagerten Flächen entstehen, wo sich diverse Pionierarten ansiedeln können. 

Höher gelegene Skidestinationen wie St. Moritz profitieren vom Schneemangel in tieferen Lagen.

Chancen bedingen keine neuen Staatsaufgaben

Es ist zentral, dass Politik und Verwaltung auch die Chancen wahrnehmen, die sich aus dem Klimawandel ergeben. Heikel wird es, wenn die öffentliche Hand daraus automatisch neue Aufgaben ableitet. So wird im eidgenössischen Aktionsplan «Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz» dem Seco die Förderung des Sommertourismus übertragen. Doch Industriepolitik ist hier fehl am Platz. Die Branche wird die Chancen, die sich aus dem Sommertourismus ergeben, besser und schneller nutzen – ausserdem ist mit Mitnahmeeffekten zu rechnen. Im Wintertourismus ergeben sich überraschenderweise ebenfalls Chancen für die Schweiz, und zwar  wegen einer relativen Verschiebung: Höhergelegene Gebiete, etwa im Wallis und Graubünden, sind von höheren Temperaturen weniger stark betroffen als Voralpengebiete. Sie könnten im Vergleich zu anderen Destinationen im Alpenbogen gar profitieren, da sie vergleichsweise schneesicher liegen.

Der Kanton Zürich hat den in der Regel (fehlenden) staatlichen Handlungsbedarf hinsichtlich der Chancen richtig erkannt. In seinem Massnahmenplan zur Anpassung an den Klimawandel schreibt die Baudirektion: «Diese Chancen des Klimawandels lassen häufig erwarten, dass die einzelnen Branchen selbst aktiv werden, um die Chancen zu nutzen. Hier besteht also seltener Handlungsbedarf für die öffentliche Hand.». Dies sollte die Richtschnur staatlichen Handelns in der ganzen Schweiz sein. Nicht alles, was durch den Klimawandel ausgelöst wird, fällt in den Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».

[1] Dies bedingt gegebenenfalls auch das Anpflanzen von gentechnisch veränderten Sorten. Die Schweiz kennt jedoch ein Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in der Landwirtschaft; das Moratorium gilt auch für Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren (CRISPR/Cas-Methode).