Für viele Schweizer Haushalte bringt das neue Jahr höhere Strompreise. Für den Musterhaushalt (H4) werden die Elektrizitätskosten 2024 im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um über 18% anwachsen. Gegenüber 2021 – als die Kosten markant zu steigen begannen – beträgt das Plus gar 57%. Dies, obwohl die Marktpreise stark gesunken sind. Selbst die Futures, d.h. die heutigen Preisfixierungen einer Stromlieferung in einem Monat oder sogar erst in zwei Jahren, haben sich wohl aufgrund der gesunkenen Gaspreise gegenüber dem Vorjahr halbiert. Durch die Verstromung von Gas in Europa haben diese einen erheblichen Einfluss auf den Strompreis.

Haushalte sowie kleinere und mittelgrosse Gewerbebetriebe können vorerst nicht von den Marktentwicklungen profitieren. Erst ab 2025 ist mit einem Preisrückgang zu rechnen, der sich auch auf die Kunden in der Grundversorgung positiv auswirken dürfte. Ursache ist, dass rund 70% der ca. 630 Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) keine eigenen Kraftwerke besitzen, sondern die nachgefragte Strommenge ihrer Kunden am Markt einkaufen. Dies geschieht in der Regel in mehrmonatigen Tranchen, um Preisausschläge zu glätten. Die hohen Preise, insbesondere des Jahres 2022, wirken deshalb noch länger nach.

Keine Flucht aus dem Strommonopol

Ein Entfliehen ist nicht möglich, der zweigeteilte Strommarkt in der Schweiz verunmöglicht es Kleinbezügern (im Gegensatz zu den Grossabnehmern), ihren Anbieter zu wechseln. Dabei sind die Unterscheide erheblich: Gemäss Elcom variieren die Preise 2024 für eine Kilowattstunde in der Grundversorgung zwischen 10,22 bis 57,48 Rappen. Für Haushalte und Gewerbebetriebe kann dies zu einer erheblichen Belastung des Budgets führen.

Politische Anläufe, den Konsumenten die freie Wahl ihres Stromversorgers zu gewähren, gibt es seit den 1990er Jahren – bislang (zuletzt in der parlamentarischen Diskussion des Mantelerlasses) erlitten sie immer Schiffbruch. Die Grundversorgung wird politisch als Ideal betrachtet, das die Haushalte vor den Unwägbarkeiten des Marktes schützen soll. Die diesjährigen Preissteigerungen zeigen jedoch eindeutig, dass dies nicht zutrifft.

Letztlich schützt die Grundversorgung nicht die Kundinnen und Kunden, sondern – wenn überhaupt – die EVU, die zu fast 90% im Besitz der öffentlichen Hand, d. h. der Kantone und Gemeinden sind. Nur etwa 8% sind in privatem Schweizer Besitz, 2% gehören ausländischen Investoren. Die Abbildung zeigt die Beteiligungsanteile der 26 Schweizer Kantone und grösseren Gemeinden an bedeutenden EVU. Sowohl direkt als auch indirekt über ihre EVU besitzen Kantone und Gemeinden zusätzlich Anteile an den drei grössten Stromunternehmen der Schweiz: Die BKW und die Alpiq sind grossmehrheitlich und die Axpo vollständig Eigentum der öffentlichen Hand.

Download der Grafik als pdf

Verschiebungen seit der letzten Erhebung

Es ist nicht das erste Mal, dass Avenir Suisse auf die ausgeprägten Verflechtungen in der Stromwirtschaft hinweist. Bereits in den Jahren 2007 und 2015 wurde der Versuch unternommen, diese grafisch darzustellen. Seit der letzten Aktualisierung haben sich die Besitzverhältnisse zwar nicht grundlegend geändert, dennoch gab es in den letzten Jahren einige bemerkenswerte Verschiebungen:

– 2016 beteiligte sich die EKZ im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit knapp 30% an Repower. Da die damaligen Grossaktionäre Axpo und der Kanton Graubünden nicht mitzogen, wurde die EKZ somit zum Hauptaktionär. Da der Kanton Zürich über die EKZ und direkt auch an der Axpo beteiligt ist, gehört ihm somit über ein Drittel von Repower.

-2016 verkaufte die BKW ihre Anteile an Romande Energie u.a. an die Stadt Lausanne.

– 2019 verkaufte der französische Energieversorger Electricité de France (EdF) seinen Aktienanteil an Alpiq hälftig an die EOS Holding (im Besitz der Westschweizer Kantone) und an Primeo Energie. Ein Jahr später wurden die Aktien von einem Schweizer Energie-Infrastrukturfonds übernommen.

-Der Kanton Solothurn beendete 2020 sein langjähriges Engagement bei der Alpiq und verkaufte sein Aktienpaket an die IBB Holding AG, die wiederum im alleinigen Besitz der Stadt Brugg ist.

– 2022 veräusserte die Axpo wiederum ihre Minderheitsbeteiligung an Repower von knapp 13%, u.a. an die bisherigen Aktionäre EKZ und den Kanton Graubünden.

Die dargestellten Verflechtungen sind keineswegs vollständig und komplexer als hier dargestellt. Es bestehen weitere Verbindungen durch Beteiligungen am Netzbetreiber Swissgrid sowie an Partnerwerken. Dennoch werden die wichtigsten Verflechtungen abgebildet.

Für die staatlich dominierten Stromunternehmen locken in Zeiten hoher Preise Gewinne, für 2023 dürften sie kumuliert für die grössten EVU mehrere Milliarden betragen. Die Gewinne wandern zu einem grossen Teil in die Staatskassen. Bei Marktpreisen, die unter die Gestehungskosten fallen, resultieren aber Verluste. Dies war vor mehreren Jahren der Fall. Die Diskussion entbrannte, ob die Eigentümer – d.h. Kantone und Gemeinden, bzw. deren Steuerzahlende – im Notfall aushelfen müssten.

Mehrere Gründe für eine Reform

Die heutige Struktur und die Eigentumsverhältnisse der Elektrizitätsversorgungsbranche sind aus mehreren Gründen unbefriedigend:

  • Die Rolle des Staates als Regulator und Eigentümer ist aus ordnungspolitischer Sicht fragwürdig. Dies zeigt sich beispielsweise in kantonalen Gesetzen, die eine explizite Gewinnablieferung von ihren kantonalen Werken fordern. Der Begriff «Schattensteuer» ist naheliegend. Öffentliche Eigentümer von Unternehmen mit Monopolstellungen behandeln ihre Kunden nicht per se besser als private Investoren von Unternehmen, die im Wettbewerb stehen.
  • Die ursprüngliche Idee hinter dem kantonalen und kommunalen Eigentum war wohl, nicht nur den Aufbau der Infrastruktur zu finanzieren, sondern jederzeit auch direkt eingreifen zu können. Die Idee verliert jedoch zunehmend an Bedeutung, denn die Energiepolitik wird zu grossen Teilen auf nationaler oder sogar europäischer Ebene gestaltet. Kommt hinzu, dass die Schweiz Preisnehmerin ist, d.h. die Strompreise am Markt entstehen im Ausland.
  • Die derzeitigen, erheblichen Gewinne könnten sich in Zukunft auch in ihr Gegenteil verkehren. De facto müssten dann die Steuerzahlenden einspringen. Die Diskussionen in der Vergangenheit (vgl. Rettungsschirm) zeigen, dass dies am ehesten durch den Bund geschehen würde und nicht durch die kantonalen Eigentümer. Dies wäre unsolidarisch gegenüber denjenigen Kantonen, die in der Vergangenheit nicht oder zu wenig von den Gewinnen profitieren konnten. Weiter besteht beim Bund – wie bei den Banken – kein demokratisch legitimiertes Mandat, taumelnde EVU zu retten. Erneut käme wohl Notrecht zur Anwendung.
  • Viele EVU breiten sich heute in Wirtschaftsbereichen aus, in denen bereits private Akteure tätig sind. Ein Marktversagen liegt jedoch nicht vor, daher wäre ein staatlicher Eingriff nicht notwendig. Ein Beispiel sind private Elektroinstallationsfirmen, die von staatlichen EVU übernommen werden. Oft ist unklar, ob das Geld für den Zukauf aus dem Geschäft mit Kunden im freien oder gefangenen Markt stammt. Honi soit qui mal y pense. Demokratisch legitimiert sind solche Expansionsstrategien nicht. Offen abgelehnt werden sie von den verbleibenden privaten Elektroinstallationsunternehmen, denn der grosse staatliche Konkurrent kann nicht nur auf grössere finanzielle Mittel zurückgreifen, sondern geniesst in der Regel auch eine implizite Staatsgarantie.
  • Eine vollständige Marktöffnung würde zu einer Konsolidierung unter den rund 630 EVU führen. Damit schritte auch die Professionalisierung schneller voran, was angesichts des zunehmend komplexen regulatorischen Rahmens unerlässlich ist. Das veraltete Modell des Gemeindeangestellten, der in einem 20%-Pensum auch noch das kommunale EVU betreut, hat keine Zukunft mehr.

Die historische Begründung des öffentlichen Eigentums der EVU im Sinne des Service public mag auf die Versorgungssicherheit verweisen, hat uns aber vor einem Jahr nicht vor der drohenden Energieknappheit bewahrt. Es ist höchste Zeit, in einem ersten Schritt die vollständige Marktöffnung anzugehen, um mehr Wettbewerb zu schaffen, und in einem zweiten Schritt über die Privatisierung der EVU nachzudenken.

Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in der Publikation «Energiepolitik unter Strom: Lösungsansätze im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit».