Dr. Jérôme Cosandey ist seit dem 1. September 2018 Directeur romand von Avenir Suisse. Er setzt sich zudem als Forschungsleiter Finanzierbare Sozialpolitik vorwiegend mit der Altersvorsorge, Gesundheitspolitik sowie mit dem Generationenvertrag auseinander. Nach seiner Promotion an der ETH war er mehrere Jahre als Strategieberater bei The Boston Consulting Group, danach bei der UBS tätig, bevor er 2011 zu Avenir Suisse stiess. Er hält zudem einen Master der Universität Genf in internationaler Wirtschaftsgeschichte.
Podcast
Andrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalkosten
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Jérôme Cosandey,
Nico Leuenberger
Sterne für die Spitäler
PodcastAndrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalkosten
Die steigenden Kosten im Gesundheitssystem beschäftigen alle: Patienten, Spitäler, Krankenversicherungen und Gesundheitspolitiker. Aber mit welchen Methoden könnte man das Kostenwachstum bremsen? Andrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, und Jérôme Cosandey, Forschungsleiter Finanzierbare Sozialpolitik, sehen verschiedene Ansatzpunkte:
Die Politik: Zu oft ist Gesundheitspolitik Interessenspolitik. Etwa bei den kantonalen Spitallisten, die nicht selten für Regionalpolitik instrumentalisiert werden. Viel sinnvoller bei der Beurteilung von Spitalleistungen wären allgemeine, in der ganzen Schweiz gültige und besser vergleichbare Kriterien.
Die Qualität: Muss es wirklich immer die beste und teuerste Therapie sein? Mit den richtigen Anreizen für die Patienten könnte sich ein 5-Sterne-System auch im Spitalwesen durchsetzen.
Die Schwerpunktsetzung: Heute gibt es zu viele Spitäler, die alles anbieten. Mit einer gezielten Spezialisierung der Anbieter wären neben Effizienzgewinnen auch Qualitätssteigerungen möglich.
Andrea Rytz und Jérôme Cosandey waren sich in ihrem Gespräch einig, dass die Spitäler nicht mehr, sondern bessere Regulierung brauchen. Die eine einseitige Fokussierung auf Tarife bringe zu wenig.
Mehr Wachstum heisse zudem nicht automatisch Kostenwachstum: Vielen Probleme könnten auch durch weniger Bürokratie gelöst werden: Etwa, wenn Ärzte sich besser austauschen und Patienten spitalübergreifend behandeln könnten, weil sie einen unkomplizierten Zugang zu den verschiedenen Institutionen erhielten.
Die Branche hat noch viel Raum für Verbesserungen. Und vielleicht kann auch die Zeit ein paar Wunden im Gesundheitssystem heilen. Zum Beispiel, wenn der Druck der Patienten, die sich gegen die Kosten wehren, grösser wird.
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Verena Nold, Direktorin von Santésuisse, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalpolitik
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Jérôme Cosandey,
Nico Leuenberger
Mangelnder Wettbewerb unter den Spitälern
PodcastVerena Nold, Direktorin von Santésuisse, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalpolitik
Seit 2012 können Patienten innerhalb ihrer Kantone – und unter gewissen Einschränkungen in der ganzen Schweiz – frei zwischen privaten und öffentlichen Spitälern wählen, sofern die Einrichtungen auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt sind. Medizinische Leistungen werden neu mit Fallpauschalen rückvergütet und nicht mehr durch direkte Subventionen an öffentliche Spitäler finanziert.
Verena Nold, Direktorin der Schweizer Krankenversicherer-Branchenorganisation Santésuisse, spricht im Podcast mit Jérôme Cosandey über die Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung auf die Gesundheitskosten. Zwar sei das Kostenwachstum gebremst worden, doch es brauche weitere Massnahmen, um die erwünschten qualitativen und quantitativen Effekte des verstärkten Wettbewerbs zu realisieren. Es gebe in der Schweiz zu viele Spitäler, die alle Leistungen anbieten wollen, was zu Doppelspurigkeiten führe – nicht zuletzt aufgrund des «Kantönligeistes». Wettbewerbshürden, kantonale Subventionen und schlecht informierte Patienten seien ein wichtiger Grund für die fehlende Spezialisierung der Spitäler und die damit resultierenden Überkapazitäten, sagt Cosandey.
Dass die Patienten wenig Preisbewusstsein entwickelten, sei laut Nold nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sie die Kosten nur indirekt über die Krankenkassenprämien bezahlen. Eine Vermittlerrolle der Krankenversicherungen, kombiniert mit einem Bonus-System, wie es Avenir Suisse in der Studie «Gesunde Spitalpolitik» vorgeschlagen hat, hält sie für einen prüfenswerten Ansatz. Demnach würden Krankenkassen ihren Patienten vor planbaren Eingriffen eine Liste von geeigneten Spitälern vorlegen. Entscheidet sich der Patient für ein Spital mit tieferem Basistarif als das nächstgelegene, teilen sich die Versicherung und der Patient die Kosteneinsparungen. Es gelte dabei jedoch eine Zweiklassenmedizin zu vermeiden, betont Nolt.
Dass sich der Patient zusammen mit dem Arzt selber für ein «teureres» Spital in der Nähe oder eine andere Lösung entscheiden kann, ist auch für Jérôme Cosandey zentral. Es wäre denkbar, in verschiedenen Kantonen oder Regionen Pilotprojekte anzustossen, die bei Erfolg von der ganzen Schweiz übernommen werden könnte. Die Kassen hätten bereits heute Erfahrung mit verschiedenen Versicherungsmodellen, betont Verena Nold. Die Gesprächspartner sind sich einig darüber, dass diese Vielfalt eine Stärke des Schweizer Gesundheitssystems ist, im Unterschied etwa zu stark zentralisierten Lösungen wie in England. Es ermöglicht politische Innovationen im Gesundheitssektor, ohne gleich das ganze Land zu tangieren.